Von Daniel Pöhler, Initiative Volksentscheid Fahrrad; fachliche Beratung: Evan Vosberg, Vorstand ADFC Berlin und Initiative Volksentscheid Fahrrad
Viele Radler ziehen Nebenstraßen oder Fahrradstraßen vor, weil sie dort weniger Abgase einatmen und weniger Lärm ertragen müssen. Doch an Hauptstraßen liegen zahlreiche wichtige Ziele wie Behörden, Geschäfte, der Arbeitsplatz oder Freunde und Verwandte. Und natürlich wollen auch Radfahrende zügig ankommen und wählen deshalb die direkte Verbindung über Hauptstraßen.
Wenn es keinen Radweg auf der Strecke gibt, lassen nicht wenige Radler das Fahrrad stehen und steigen zum Beispiel ins Auto. Andere wiederum fühlen sich auf der Fahrbahn mit den Autos und Lastwagen nicht sicher, deshalb weichen sie auf die Gehwege aus. Das nervt zu Recht die Fußgänger.
Der Volksentscheid Fahrrad fordert deshalb: Auch Hauptstraßen müssen für Radler und Radlerinnen sicher und komfortabel befahrbar sein.
Vergangenheit und Zukunft
Früher wurden Radwege in Deutschland vor allem deshalb angelegt, um die Straße von Radfahrern freizuhalten, damit Kraftfahrzeuge schneller fahren können. Gegen diese schmalen Holperpisten mit gefährlichen Kreuzungen hat sich unter anderem der ADFC erfolgreich zur Wehr gesetzt. Die Folgelösungen sind aber an vielen Stellen noch nicht optimal: Auf der Straße markierte Radfahrstreifen sind im Prinzip recht sicher, fühlen sich aber nicht für alle Leute, die Rad fahren oder gerne Rad fahren würden, sicher an. Für Kinder, die auch mal einen Schlenker machen, sind Radfahrstreifen oder Schutzstreifen kaum geeignet. Außerdem werden diese oft zugeparkt, sodass man sich in den schnell fahrenden Kraftverkehr einfädeln muss – was dann auch für Erwachsene gefährlich sein kann.
Deshalb muss die Entwicklung weitergehen, hin zu hochwertigen Radwegen und geschützten Radfahrstreifen, die sowohl objektiv als auch subjektiv sicher sind. Vorbilder dafür sind die Fahrradnationen Niederlande und Dänemark, die insgesamt weiter sind als Deutschland. Dort kann bereits jeder sicher Rad fahren, unabhängig von Alter und Geschlecht, körperlicher Verfassung und Fahrkönnen.
Weitere Vorbilder können Städte wie New York und London sein, die in jüngerer Zeit die Vorteile geschützter Radwege erkannt haben. Dort tut die Politik schon viel mehr als in Berlin. Internationale Aufholer-Städte erzielen gerade einen beachtlichen Zuwachs beim Radverkehr, weil dort niemand mehr vom Radfahren ausgeschlossen wird.
In ruhigen Tempo-30-Zonen braucht man natürlich keine Radwege. An bestimmten Hauptstraßen genügen auch einfache Radfahrstreifen, zum Beispiel, wenn dort kein Schwerlastverkehr fährt und im Idealfall Tempo 30 gilt. Auf verkehrsreichen Hauptachsen sind jedoch Radwege mit physischer Trennung zum Kfz-Verkehr nötig, damit sich die Mehrheit der Alltagsradler dort sicher fühlt. Wenn Radfahrerinnen und Radfahrer mit ausreichendem Abstand zu Lärm und bedrohlich wirkenden Kraftfahrzeugen unterwegs sein können, werden noch mehr Menschen auf das umweltfreundliche Verkehrsmittel Fahrrad umsteigen.
Keine Schrott-Radwege mehr!
Neue Radwege sollen asphaltiert sein und breit genug, dass ein schnellerer Radler einen langsameren problemlos überholen kann. Die Kreuzungen und Einmündung müssen so gestaltet sein, dass sie für Rad-, Auto- und Lkw-Fahrer übersichtlich und sicher sind. Ebenso muss es eine deutlich erkennbare Abgrenzung zu den Gehwegen geben. Konflikte zwischen Radfahrenden und Fußgängern gehören dann der Vergangenheit an.
Busspuren, auf denen auch Taxis und Fahrräder fahren, sind nur eine temporäre Notlösung. Radler möchten keine schweren Busse im Nacken haben, und Busfahrer müssen ihre Fahrpläne einhalten. Deshalb fordern wir im Einklang mit der BVG, Rad- und Busspuren zu trennen und beiden Verkehrsarten einen eigenen Bereich einzuräumen.
Manchmal müssen Flächen umverteilt werden
Die neuen Radwege sollen nicht zulasten der Fußgänger gehen! Das ist im Berliner Radverkehrsgesetz (RadG) klar geregelt. Wenn es nicht anders geht, muss eine Fahr- oder Parkspur wegfallen. Das ist gerecht, denn der Autoverkehr beansprucht in Berlin derzeit deutlich mehr Fläche als ihm eigentlich zustünde: In Berlin werden etwa 30 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt. Der Kfz-Verkehr belegt aber 58 Prozent der Fläche. Nur 3 Prozent sind derzeit für den Radverkehr reserviert.
Die Fahrradwege, die sich der Radentscheid an vielbefahrenen Hauptstraßen wünscht, sind also weder auf die Fahrbahn gemalt noch auf den Bürgersteig gequetscht. Radfahrerinnen und Radfahrer sollen einen eigenen Bereich entlang der Hauptstraßen erhalten, wo sie sicher, angenehm und zügig vorankommen.
Ausblick
Fahrrad-Infrastruktur, die wir jetzt anlegen, bleibt wahrscheinlich für Jahre bestehen – vielleicht für Jahrzehnte –, auch Minimallösungen wie Radspuren. Bevor Planer ans Werk gehen, sollten sie sich zwei Fragen stellen: Würde ich hier mein 10-jähriges Kind/Patenkind/Nachbarskind Rad fahren lassen? Und: Kann meine 80-jährige Großmutter/Bekannte/Nachbarin hier angstfrei radeln? Nur wenn beide Fragen mit einem klaren Ja beantwortet werden können, ist die Radverkehrsanlage tauglich für die Zukunft in einer lebenswerteren Stadt.
Weiterführende Informationen:
- Berlin hat kein Fahrradnetz
- Traumradweg
- Dichtung und Wahrheit über Radwege
- Copenhagenize (englisch)
- Bicycle Dutch (englisch)
- As easy as riding a bike (englisch)